Kroatien hat mit erheblichen Herausforderungen auf seinem Arbeitsmarkt zu kämpfen, die auf eine schrumpfende und alternde Bevölkerung sowie den rasanten technologischen Fortschritt zurückzuführen sind.
Prognosen gehen davon aus, dass das Land bis 2035 über 300.000 zusätzliche Arbeitskräfte benötigen wird, um den Anforderungen einer sich wandelnden Wirtschaft gerecht zu werden. Dies erklärten Redner auf einer von der Vertretung der Europäischen Kommission in Kroatien und der Weltbank organisierten Konferenz.
Kroatien habe in den letzten zehn Jahren fast 400.000 Einwohner verloren, hieß es auf der Konferenz „Bekämpfung des Arbeitskräfte- und Fachkräftemangels in Kroatien“. Prognosen gehen für die nächsten drei Jahrzehnte von einem weiteren Bevölkerungsrückgang von 19 Prozent aus. Bis 2050 könnten Menschen über 65 Jahren 30 Prozent der Bevölkerung ausmachen.
„Gleichzeitig wird Kroatien bis 2035 über 300.000 neue Arbeitskräfte benötigen, um auf den sich entwickelnden Arbeitsmarkt zu reagieren – mit einem wachsenden Schwerpunkt auf grünen und digitalen Arbeitsplätzen“, fügten die Redner hinzu.
Anna Akhalkatsi, Direktorin der Weltbank für die Europäische Union, erklärte, Kroatien könne ein stärkeres Wirtschaftswachstum und eine größere Wettbewerbsfähigkeit fördern, indem es seine öffentliche Politik verbessere, das volle Potenzial der einheimischen Arbeitskräfte freisetze, ausländische Arbeitskräfte mit unterschiedlichen Fähigkeiten anziehe und in die Weiterbildung sowohl aktueller als auch künftiger Arbeitskräfte investiere.
Der Weltbank zufolge ist der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften eines der größten Hindernisse für Investitionen des Privatsektors und eine schnellere grüne Wende.
Dieses Defizit ist in Schlüsselsektoren wie Tourismus, Baugewerbe und Industrie besonders ausgeprägt und schränkt auch die Bereitstellung von Dienstleistungen in Bereichen wie Informations- und Kommunikationstechnologien, Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege ein.
Stärkung der Erwerbsbeteiligung
Um dem Arbeitskräftemangel entgegenzuwirken und die Qualifikationslücke zu schließen, empfehlen die Experten der Weltbank einen mehrdimensionalen Ansatz, der auch die Erhöhung der Arbeitsmarktbeteiligung unterrepräsentierter Gruppen – wie junger Menschen, älterer Menschen, Menschen mit geringerer Qualifikation, Frauen und Migranten – einschließt.
Junge Menschen sollten beispielsweise besser über die Möglichkeiten informiert werden und mehr Praktika und Ausbildungsplätze angeboten werden. Anreize für Arbeitgeber und Zuschüsse für die Selbstständigkeit sollten durch Schulungen zum Thema Unternehmertum ergänzt werden.
Die Erwerbsbeteiligung von Frauen könnte durch einen verbesserten Zugang zur Kinderbetreuung, den Ausbau der Langzeitpflegedienste, die Unterstützung von Unternehmerinnen und die Entwicklung geschlechtersensibler aktiver Beschäftigungspolitiken erhöht werden.
Für eine bessere Integration von Migranten sind eine neue Migrationsstrategie, eine verbesserte Regulierung der Arbeitsvermittlung, höhere Investitionen in Sprach- und Kulturkurse sowie der Ausbau zentraler Integrationszentren erforderlich.
Experten betonten außerdem, wie wichtig es sei, Fähigkeiten zu entwickeln, die auf die Bedürfnisse der grünen und digitalen Industrie abgestimmt seien.
Dazu gehören der Ausbau des Ganztagsschulwesens, die Modernisierung der Lehrpläne, die Stärkung von Partnerschaften mit der Wirtschaft und eine verbesserte Berufsberatung. Auch die Verbesserung von Umschulungs- und Weiterbildungsprogrammen sowie die Förderung des lebenslangen Lernens wurden als wichtige Prioritäten genannt.
Umschulung für die Zukunft: Nationale Programme und Unterstützung
Zrinka Ujević, Leiterin der Vertretung der Europäischen Kommission in Kroatien, betonte, dass die Herausforderungen im Bereich Arbeitskräfte und Qualifikationen ein zentrales Thema für die Wettbewerbsfähigkeit Europas seien.
Sie betonte, wie wichtig es sei, in flexible und auf zukünftige Herausforderungen vorbereitete Arbeitsmärkte zu investieren. Im Rahmen dieser Bemühungen hat die Europäische Kommission kürzlich die europäische Kompetenzagenda auf den Weg gebracht , die darauf abzielt, Bildung und Ausbildung auf allen Ebenen zu verbessern.
Fast 40.000 Bürger haben Kompetenzgutscheine genutzt
Ivan Vidiš, Staatssekretär im Ministerium für Arbeit, Rentensystem, Familie und Sozialpolitik, wies darauf hin, dass Kroatien mit Hilfe europäischer Fördermittel – insbesondere des Europäischen Sozialfonds – die negativen Trends auf dem Arbeitsmarkt umgekehrt habe und nun eine historisch niedrige Arbeitslosigkeit und eine rekordhohe Beschäftigungsquote verzeichne.
Er hob auch das innovative Gutscheinsystem hervor, das sowohl Beschäftigten als auch Arbeitslosen den Erwerb neuer Fähigkeiten ermöglicht. Bisher haben fast 40.000 Bürger dieses Programm genutzt.
„Diese Initiative ist ein wichtiger Schritt zur Steigerung der Arbeitsproduktivität“, sagte Vidiš und fügte hinzu, Kroatien sei eines der wenigen EU-Länder mit einem derart integrativen Modell.
Er wies darauf hin, dass Investitionen in den Arbeitsmarkt auch durch den Nationalen Wiederaufbau- und Resilienzplan (NPOO) unterstützt werden, wobei der Schwerpunkt auf dem Erwerb von Fähigkeiten in den grünen und digitalen Branchen liegt.
Er verwies auch auf das Programm Posao Plus für Langzeitarbeitslose, das im vergangenen Jahr rund 3.000 Menschen unterstützte.
Redaktion Wirtschaft
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