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Wie Autofahrer im Ausland abgezockt werden

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Es passiert oft nach dem Urlaub: Autofahrern flattern dubiose Zahlungsaufforderungen von Inkassounternehmen ins Haus. Für Verkehrsverstöße, die sich gar nicht mehr nachvollziehen lassen. Einfach nicht zu bezahlen, ist nur die zweitbeste Lösung.

Vier Wochen nach der Englandreise das Nachspiel: Ein Verwarnungsbescheid über 591 Euro liegt im Briefkasten von Christine Malmström. Sie war mit dem Auto in die Londoner Umweltzone eingefahren. Die Günzburgerin hatte nicht gewusst, dass sie dafür eine Registrierung braucht und eine Gebühr zahlen muss.

„Beim Lesen dieses Briefes haben wir festgestellt, dass der nicht aus London kommt, sondern von einer Inkassofirma aus Schweden – Euro Parking Collection plc.“

Christine Malmström

Zahlungsfrist vier Tage, verbunden mit der Drohung, dass sich andernfalls die Forderung verdoppelt, Einwände zwecklos.

Inkasso-Firma schüchtert Autofahrer mit Drohungen ein

Stimmt die Summe? Was habe ich falsch gemacht? Und wer ist diese Firma überhaupt? Fragen, die sich unter Zeitdruck nur schwer klären lassen. Mit einer Mischung aus Scheinbestimmungen und Drohungen in dem Schreiben wird der Betroffene eingeschüchtert. „Alles, was wir hätten einwenden können, das stand schon auf der Webseite, dass es keine Gründe sind“, berichtet die geschockte Günzburgerin.

So oder so ähnlich erleben es hunderttausende in Deutschland mit Zahlungsforderungen aus der ganzen EU: Allein die Maut- und Bußgeldforderungen aus Italien und Ungarn summiert der Bundesverband Inkasso auf 415.000 Fälle im Jahr 2017. Täglich gehen bei der ADAC-Rechtsberatung mindestens 10 bis 20 derartige Anfragen von Mitgliedern ein. Das Muster ist immer ungefähr das gleiche: Aus lächerlichen Knöllchen werden teilweise satte Strafen.

Kroatische Küstenstadt Pula jagt Parksünder mit Anwälten

Ein für seine gnadenlose Verkehrspolitik berüchtigter Hotspot ist die historische Küstenstadt Pula in Kroatien, ein beliebtes Reise- und Ausflugsziel für Urlauber. Dort wurde die Parkplatzbewirtschaftung in eine eigene Gesellschaft ausgelagert, die gleich das volle Programm fährt: Wer die Parkzeit überzieht oder kein Ticket löst, ist mit 10 bis 20 Euro dabei. An der Windschutzscheibe findet sich aber kein Knöllchen, stattdessen machen einheimische Anwälte die Forderung bei den ausländischen Autofahrern geltend.#

„Für ihre Tätigkeit berechnen die Anwälte Gebühren, die zwischen 100 und 400 Euro schwanken. Die Gebühren werden nicht im Einzelnen aufgeschlüsselt.“

ADAC

Bis zu welcher Höhe diese Aufschläge verhältnismäßig sind, ist nirgends geregelt. Die Frage müsste im Zweifelsfall vor dem jeweiligen ausländischen Gericht geklärt werden.

Kommunen sparen sich Verwaltungsaufwand für Verkehrssünder

Der CSU-Verkehrsexperte im Europaparlament, Markus Ferber, kennt solche Machenschaften. „Im Prinzip sagen Kommunen oder Regionen: Ich verkaufe meine Forderungen mit einem gewissen Abschlag an ein Inkassobüro und alles, was die dann eintreiben, gehört denen, aber ich hab mein Geld und keinen Verwaltungsaufwand mehr, diese Forderungen grenzüberschreitend einzutreiben.“

Was also tun bei Strafzetteln aus dem Ausland? Grundsätzlich haben zwar Drohungen von Inkassobüros keine Rechtsgrundlage – die gibt es nur, wenn die Zahlungsaufforderung von Behörden kommt. Doch wenn die Autofahrer nicht zahlen, bleiben die Forderungen möglicherweise in den Registern des jeweiligen Landes gespeichert. Das kann dazu führen, dass die Betreffenden Schwierigkeiten bekommen, wenn sie erneut in das Land reisen. Es drohen Fahrverbote oder sogar die Beschlagnahmung des Autos.

ADAC: Verkehrsregeln sichtbar und verständlich machen

Der Deutsche Verkehrsgerichtstag fordert für die derzeit von Inkassofirmen betriebenen Zahlungsforderungen eine zentrale europäische Stelle. Nur dort, so der Vorschlag, sollten dann zivilrechtliche Forderungen aufgrund von Verkehrsverstößen durchgesetzt werden können. Das Bundesjustizministerium, das in der Sache tätig werden müsste, wollte dazu keine Stellungnahme abgeben. Als einen ersten Schritt zur Verbesserung prüft die EU-Kommission derzeit, ob der grenzüberschreitende Informationsaustausch über straßenverkehrsbezogene Delikte erleichtert werden sollte, um den Inkassoagenturen quasi durch den offiziellen Weg das Wasser abzugraben.

Einen ganz pragmatischen Vorschlag hat der ADAC: Es würde schon viel bringen, lokale Verkehrsregeln verständlich und sichtbar zu machen. (NR)

BR-Presse/Georg Bayerle
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