Kroatiens Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarović kommt heute zu einem Besuch nach Russland, schreibt die Zeitung „Kommersant“ am Mittwoch.
Die Situation änderte sich erst vor kurzem. Im Mai kam Davor Ivo Stier nach Moskau, der bis zum Juni der Außenminister Kroatiens war. Er sprach mit dem russischen Außenamtschef Sergej Lawrow. Der kroatische Außenminister war der erste ranghohe Vertreter Zagrebs, der Russland im letzten Jahrzehnt besuchte. Vor kurzem tauchte auch ein neuer kroatischer Botschafter auf – der erfahrene Diplomat Tonči Staničić.
Der Sinn des Besuchs der kroatischen Präsidentin besteht darin, eine Art Inventur der bilateralen Beziehungen vorzunehmen und die aussichtsreichen Kooperationsbereiche zu ermitteln. Heute finden in Sotschi Verhandlungen zwischen Wladimir Putin und Kolinda Grabar-Kitarović statt, am Donnerstag nimmt sie in Moskau an einem russisch-kroatischen Wirtschaftsforum teil.
Politische und wirtschaftliche Fragen, die beim Treffen besprochen werden sollen, hängen wohl oft miteinander zusammen. Das betrifft vor allem das Problem des kroatischen Riesen Agrokor, der die Handelsketten fast in allen Balkan-Ländern kaufte, sich aber wegen einer solchen Expansion am Rande des Zusammenbruchs erwies. Die Schulden des Unternehmens machen rund 6,5 Milliarden US-Dollar aus, was seine Aktiva um das Sechsfache übersteigt.
Der größte Gläubiger von Agrokor ist die russische Sberbank, die dem kroatischen Riesen Kredite in Höhe von rund einer Milliarde Euro gewährte. In diesem Zusammenhang spricht man auf dem Balkan über einen möglichen Übergang der regionalen Handelskette unter russische Kontrolle. Diese Frage soll eines der Hauptthemen während der Verhandlungen sein.
Darüber hinaus fiel der Besuch zeitlich mit der Lieferung von sechs russischen Kampfjets MiG-29 an Serbien zusammen. Während Belgrad zusichert, dass sie ausschließlich für Verteidigungszwecke bestimmt sind, verheimlicht Zagreb nicht seine Besorgnis über die wachsende Militärkooperation zwischen Serbien und Russland.
„Kroatien befürchtet, dass die Festigung des Militärpotentials Belgrads Zagreb dazu zwingen wird, denselben Weg zu gehen, was nicht nur die kroatisch-serbische Beziehungen belasten, sondern beide Länder an den Rand einer der neuen Konfrontation in Europa bringen kann“, sagte der kroatische Analyst Vlado Vurusić der Zeitung „Jutarnji List“. Deswegen würde dieses Thema sicher während der bevorstehenden Verhandlungen zur Sprache kommen.
Doch das Streben der Präsidentin Kroatiens, die Beziehungen zu Russland zu normalisieren, bedeutet nicht etwa, dass es schon morgen Partnerschaftsbeziehungen sein werden. Laut den kroatischen Experten ist es nicht sehr logisch, dass sich die Präsidentin und nicht der Premier, der deutlich mehr Vollmachten und Möglichkeiten besitzt, mit der Normalisierung der Beziehungen befasst. Darüber hinaus gebe es in der kroatischen Delegation weder den Außenminister noch den Wirtschaftsminister, deren Teilnahme mehr konkrete Aspekte bringen könnte. Experten zufolge hänge das mit einer Konkurrenz im außenpolitischen Bereich zwischen der Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarović und dem Premier Andrej Plenković zusammen.
Doch der Hauptfaktor, der einen realen Durchbruch verhindert, bleibt die stabile Ausrichtung Zagrebs auf den Westen. „Kroatien wird seine Beziehungen zu Russland immer mit Rücksicht auf Berlin und Washington ausbauen“, so Vlado Vurusić. (NR)
Quelle: Sputnik Deutschland