Home Politik „KROATIEN WAR KEIN ‚WILLIGER HELFER‘ IM HOLOCAUST“

„KROATIEN WAR KEIN ‚WILLIGER HELFER‘ IM HOLOCAUST“

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Vor einigen Tagen erschein in der „Neuen Zürcher Zeitung“ der Artikel „Der Holocaust war nicht nur Deutsch“ des Diplomaten, Historikers und Politologen Simon Geissbühler. Die kroatische Botschafterin reagierte mit einem Gastbeitrag und bezeichnet seine Argumentation als unzulässig.

„Deutschland war der Initiator und Haupttäter des Holocausts. Aber es fand in fast allen besetzten Ländern willige Helfer. In Rumänien und Kroatien wurde der Mord an den Juden auf eigene Initiative organisiert. Davon wollen auch heute viele nichts wissen“, so Geissbühler in seiner Einleitung.

Die kroatische Botschafterin in der Schweiz, Andrea Bekić reagierte und bezeichnete den Artikel des Gastautors der NZZ als „gefährlichen Versuch von Geschichtsrevisionismus“. Obwohl der Autor mehrmals die Verantwortung der deutschen Nationalsozialisten betont, so versuche er den Holocaust als „internationales Projekt“ darzustellen, an welchem sämtliche Völker Mittel- und Osteuropas beteiligt gewesen seien.

„Keine internationale geschichtswissenschaftliche These“
Geissbühler bezeichnete die „Kollaborateure in den besetzten Ländern“ als „enthusiastische Helfer“, was laut Bekić eine absurde These sei. In den rund siebzig Nachkriegsjahren würde diese von niemanden in der internationalen Historiographie aufgestellt. Es sei daher unzulässig, den Staaten Mittel- und Osteuropas eine Mitverantwortung für den Holocaust aufzudrängen.

Laut der kroatischen Botschafterin sei es vielmehr historische Wahrheit, dass nur die kollaborierenden Regime und Besatzungsmächte des Dritten Reiches für die Verbrechen in den besetzten Gebieten verantwortlich seien – „in Kroatien ebenso wie in Frankreich, den Niederlanden, Norwegen, Serbien, Bulgarien, Rumänien und anderswo –, nicht aber die gesamte Bevölkerung dieser Länder.“

Schwere Beleidigung des kroatischen Volkes
Der Politologe schrieb, dass Kroatien prozentual „die mörderischste antijüdische Politik betrieb“, während in Rumänien in absoluten Zahlen die meisten Juden umgebracht wurden. Darin sieht Bekić eine „dreiste Lüge und schwere Beleidigung des kroatischen Volkes“.

„Der Historiker Ivo Goldstein, ein aktives Mitglied der jüdischen Gemeinde in Kroatien, hat in seinem Buch Kroatien 1918–2008 betont: ‚Die Deutschen haben eine Gruppe an die Macht gebracht, von der sie wussten, dass sie ihnen von der Ideologie und Praxis her sehr ähnlich sein würde‘“, so die Botschafterin weiter.

Ebenso würden die letzten Parlamentswahlen vor dem Zweiten Weltkrieg in Kroatien zeigen, dass der Großteil (rund 90 Prozent) des kroatischen Volkes für die demokratische und pazifistische Kroatische Bauernpartei HSS unter Führung von Vladko Maček stimmte. Nur fünf Prozent hätten sich für eine kommunistische bzw. stalinistische Idee ausgesprochen und höchstens fünf weitere Prozent hätten mit Hitler bzw. Mussolini sympathisiert.

Maček durch Pavelić ersetzt & Selbstbefreiung
Nachdem Deutschland Jugoslawien 1941 besetzte, habe Hitler die Regierung des unabhängigen Kroatiens zuerst Vladko Maček angeboten. „Dieser lehnte jedoch ab, da er nicht mit den Nationalsozialisten kollaborieren und Rassengesetze umsetzen wollte. Erst danach setzte Hitler seinen Anhänger Ante Pavelić an die Spitze des kroatischen Staates. Pavelić wurde zu diesem Zweck aus der politischen Emigration in Mussolinis Italien zurückgeholt“, schrieb die Botschafterin weiter.

Der antifaschistische Aufstand im Sommer 1941 in Kroatien sei auf dem Höhepunkt der Judenvertreibung geschehen, während von 1943 bis 1943 neben dem kollaborierenden Regime auch eine antifaschistische Regierung und eine Armee in befreiten Teilen Kroatiens.

„Zahlreiche kroatische Juden schlossen sich ihr an und hatten Anteil an der Befreiung des Landes. Das kroatische Volk und der kroatische Staat mussten nicht von angloamerikanischen Truppen befreit werden, wie dies in allen westeuropäischen Staaten der Fall war. Die Alliierten mussten nicht wie im «Dritten Reich» mit Bombenteppichen die Loyalität zu Hitlers Regime zerschlagen, denn das kroatische Volk hatte sich selbst von Nationalsozialismus und Faschismus befreit“, so Bekić.

„Kommunistisches Jugoslawien eine Entäuschung“
Laut Bekić sei das Nachkriegskratien im kommunistischen Jugoslawien eine Enttäuschung gewesen, da ein Totalitarismus durch einen anderen ausgetauscht wurde. Es gab keine Reparationszahlungen bzw. Rückgabe von enteignetem Besitz an Juden, weshalb viele das Land in Richtung Israel verließen.

„Erst das demokratische und souveräne Kroatien hat ihnen sämtliche Menschen- und Bürgerrechte sowie die Rückgabe des enteigneten Besitzes garantiert. (…) Das kroatische Volk kann wahrlich jedem anderen Volk in Europa in die Augen sehen, so auch dem jüdischen Volk“, schließt die Botschafterin ihren Gastbeitrag ab.

Kosmo.at
Bild: Wikimedia Commons/Petar Milošević, NAC
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