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Inge und das Geisterschiff, Teil 2

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Ein Blogbeitrag von Herbert T. - Andreas Anderworld

Jetzt aber muss es gehen. Aber es ging nicht……….lesen Sie weiter!

Inge kann diesmal nichts dafür. Es lag auch nicht an der Technik des Knöpfe drücken. Es lag an…. Scheiße, sagt man nicht, aber das Ding ist hin.
Dieser Kahn ist noch nicht mal zwei Monate alt und so ein Schrott. Gestern am Abend hat er noch funktioniert und jetzt ist der Haken unten und alle Weisheiten oben.

Wie bekommt man einen dreißig Kilo Anker mit Kette nach oben wenn nicht einmal die Winsch eine Notlösung zur mechanische Bergung dieses Halteeisens bietet. Sch… Technik.Helmut und Fritz, tragende Säulen der Crew und gleichzeitig unsere bordeigenen Haustechniker die beinahe in der Lage wären, Kernspaltungen mit bloßen Händen durchzuführen haben alles Mögliche zerlegt, umgebaut, umgepolt und sogar kurzfristig auf Kernenergie umgestellt.
Nichts…. rein gar nichts regt sich.
Das Einzige was vielleicht helfen konnte war die Notrufnummern zum Servicetechniker der Marina.
Wieder erschien das Schnellboot, zwei Techniker unter anderem ein Spezialist für Schiffselektronik enterten mein Boot.
Ich hätte das Schiff versenken können, auf Grund setzen, an die Klippen werfen, alles wäre so einfach gewesen. Aber was dann kam war schlimmer als alles Vorstellbare. Nach ca. 100 Versuchen meinerseits ging der Techniker zur Fernbedienung, drückte einen der zwei vorhandenen Knöpfe und was passiert:

Dieses Sch… Ding von Ankerwinsch nahm unverdrossen seinen Dienst auf und surrte beim Kettenaufnehmen fröhlich vor sich hin.

Genau jetzt wünschte ich mir meilenweit entfernt zu sein. Den nachfolgenden Dialogzwischen Techniker und Skipper welcher mit dem Worten begann „Wo ist das Problem….“ erlaube ich mir hier nicht wieder zu geben.
Meine Crew stand nach wort- und bierloser Verabschiedung des Technikerteams wie ein Felsen hinter mir, servierte eisgekühltes Karlovačko und Manöverschlucks und halfen dabei, meinen gekränkten Stolz wieder herzustellen.
Es war ein Magnetventil in den tiefsten Tiefen verborgener Elektronik das ein Eigenleben entwickelte, wie sich später im Verlauf des Törns noch genauer herausstellen wird.
Ohne nennenswerten Wind motoren wir in Richtung Vrulie und nach Mana. Eine Besichtigungstour zu den Ruinen von Mana, Filmkulisse für tosendes Meer mit Maria Schell, war eine gelungene Abwechslung. Gemeinsam mit Heidi bewachten wir einstweilen unser Schiff aus liegender Position von der Hängematte aus.

Vorbei an den südwestlichen Steilküsten von Mana, den unzähligen Buchten, Inseln und kleineren Eilanden, vorbei an Striznja, meiner Lieblingsbucht, vorbei bei Ante in Vrulie segeln wir bei leichter Bora südostwärts in Richtung Zirij weiter.
Wir wollten Fisch und dazu lauwarmen Kartoffelsalat und das, bis zum Abwinken. Ich kannte das Ziel unserer Wünsche.

Die Konoba Stupica auf Zirje liegt auf herrlichem Raumschotkurs. Bei ca. 90 Grad Windeinfallswinkel und 15 Knoten Wind kann man Segeln beinahe mit Sex vergleichen. Nein, besser noch. Du glaubst es nicht? Dann komm an Bord und genieße selbst.

Ein paar Stunden später erfolgt das Festmachen an einer der ausgelegten Bojen.
Bequem und einfach über die Badeplattform am Heck, wobei der Festmacher ohne besonderer Kraftanstrengung per Hand vom Heck zum Bug gezogen wird.
Was dann folgt war Hafenkino. Crewbesatzungen, die nach dem dritten Anlegeversuch den Bootshaken verlieren, Crewmitglieder die über Bord springen um die Festmacherleine schwimmend durch die Öse der Boje zu fummeln. Man sollte nicht schadenfroh sein, aber wer rechtzeitig an der Boje hängt oder im Hafen liegt kann später leicht maulen.
An diesem Tag war meine Männercrew für das Abendessen zuständig. Schön langsam wird mir bewusst, warum alle zum Wirten meines Vertrauen wollen.Nur ein Schelm würde jetzt an die Vor- und Nachbereitungsarbeiten wie kochen und Geschirr spülen oder ähnliches denken.
Bei meinem Wirten, ein einfacher Fischer, war diesmal alles anders als sonst.Eine außerordentlich hübsche Bedienung, Fisch zur freien Auswahl. Bisher gab`s nur Fisch, was gerade da bzw. frisch gefangen war, oder Fleisch.  Der Wein, schmeckt so wie immer schon nach dem dritten Glas.

Branzino/Loup de mer/Wolfsbarsch war an diesem Abend unsere ausgezeichnete Wahl. Dazu zwei riesige Salatschüsseln mit gemischtem Kraut/Gurken/Tomatensalat sowie eine ganze Schüssel noch warmer Kartoffelsalat. Kartoffelsalat wo der Erdapfel noch wie seinerzeit schmeckt.
Und ja, es ist richtig dass unter südlicher Sonne das Gemüse genau so schmeckt wie es schmecken soll.
Ich glaube, ich hoffe und gehe davon aus, dass mein Fischer derartig korrupt und aufmüpfig ist um sich um etwaige Patentrechte für verwaschene Geschmacksrichtungen von Kartoffeln und dergleichen, der Fa. Monsanto bzw. Bayer, nicht kümmert bzw. sich darüber hinwegsetzt. Ich liebe ihn dafür.
Es war ein gelungener Abend. Mit vollem Bauch geht’s zurück zum Schiff. Aber wenn das immer so leicht wäre. In der Nacht sehen alle Schiffe ziemlich gleich aus. Ein Kanonenboot der kroatischen Kriegsmarine würde sich eventuell vom Einheitsbrei der restlichen Schiffe noch leicht unterscheiden lassen. Aber wo kriegen wir auf die Schnelle so ein Kanonenboot her.
Selbst mein alter Trick mit einem zweiten Licht neben der Ankerlaterne funktioniert auch nicht mehr. Das was ich mir vor ca. 20 Jahren von meinem Segelfreund Michael Sumper abgeschaut habe, funktioniert heute nicht mehr.
Zu viele Skipper kennen diesen alten Trick. Selbst das gelbe Handtuch auf der Reling mag tagsüber ein Eyecatcher sein, doch in der Nacht sind alle Katzen, auch die Gelben, grau.
Aber mit etwas Routine und nach mehreren Anläufen gelingt es uns immer wieder ohne Verlust von Mensch und Material am richtigen Schiff aufzuentern.

Wir verlassen diese wunderschöne Bucht, wo ich vor Jahren die „AGLIA“ ein Luxussegler der Superlative, eine 66m Slup angetroffen habe.  Der Rumpf aus schwarzem Klavierlack, die Masthöhe beträgt 84m, sieben Besatzungsmitglieder für 6 Gäste. Kraftstoffreserve von 50.000 Liter, der Charterpreis lag damals bei gerade mal 180.000 US$. pro Woche.
Ein Schnäppchen wenn man ein wenig auf den Umrechnungskurs achtet. Alleine das Beiboot auch in schwarzem Klavierlack und Teak gehalten war um drei Meter länger als mein nicht gerade kleiner  Segler.
Na ja, Armut ist keine Schande. Und unter uns Reichen…. mich zipft eure (und meine) Armut an.

Unser nächstes Ziel ist Sibenik und die Wasserfälle der Krka. Eigentlich wollte ich da nicht schon wieder hin. Ich wollte mich bei diesem Törn abseits der Touristenrouten bewegen. Aber es läuft halt nicht immer alles so wie man (Skipper) es sich wünscht.
Dabei sind die Rechte eines Skippers beinahe grenzenlos. Man (Skipper) darf zwar keine Ehen schließen, jedoch kann man (Skipper) z.B. beim Sundowner bestimmen, wann die Sonne untergegangen ist. Beim letzten Törn im Mai war`s gerade erst 05:17 Uhr als die ersten Spuren der aufgehenden Sonne sichtbar wurden.

ätte ich damals mit meiner Feststellung der untergehenden Sonne noch länger zugewartet, hätte sich das vermutlich in späterer Folge auf die allgemein gültige Arbeitszeiten ausgewirkt. Für die jetzige Arbeitszeiterhöhung auf 12 Stunden kann ich leider wirklich nichts dafür.

Aber Skradin und die Wasserfälle der Krka sind immer einer Besuch wert. Gewisse Lokale und Hafenkneipen ändern sich vermutlich nie. Urigkeiten bleiben bestehen.

Das Essen bei Joso in der Konoba Dalmatino z.B. ist wie eh und je ein wahrer Genuss. Im Oktober werde ich wieder da sein.
Die Wasserfälle können mir dann trotz ihrer unberührten Schönheit aufgrund meines vermutlich 15 Besuchs gestohlen bleiben. Aber zum „Joso“  werden wir wieder gehen. Tintenfischrisotto Nero und als Nachspeise gebackene Mäuse.

Das Befahren der Krka ist immer eine Sensation. Zwei Stunden lang mit dem Segler einen Fluss hinauf ins Landesinnere zu fahren. Es sind Fjorde mit extrem steilen Felswänden die sich nur wenige Meter neben dir auftun.

Vorbei an unzähligen Muschelzuchten und Fischzuchtfarmen. Muscheln die im Fließwasser der Krka über Jahre heranwachsen um in wenigen Minuten zubereitet und verspeist zu werden, wechseln um 3,50 Euro/Kilo seinen Besitzer.

Ein Kilo pro Person ist fast schon zu großzügig berechnet. Mit Knoblauch und Öl oder einer Buzzerasauce zubereitet, sind diese immer ein besonderes kulinarische Highlight jeder meiner Reisen in diesem Seegebiet.

Ein nicht vorhandener Spaten war jetzt das Hauptproblem von Inge und Fritz. Beide wollten als Andenken „des Nächtens“ einen freiwachsenden Feigenbaum in ihr Eigentum übereignen. Erst Stunden später bei Tageslicht wurden die wahren Dimensionen dieses Tiefwurzlers sichtbar. Es lag vermutlich nur an der nicht fachgerechten Bergeausrüstung. Ein mittelgroßer Schaufelbagger mit Tieflader hätte vermutlich schon gereicht.Müde vom Rundgang durch die wasserdurchfluteten Wälder, den unzähligen Wasserfällen die in Kaskaden nach unten stürzen, nehmen wir nun wieder Kurs auf Sibenik, lassen die alte Festung und Wehranlage von Sveti Nikola an Backbord liegen, umschiffen die Sandbank vor der Hafeneinfahrt und legen Kurs auf unser nächstes Ziel, die Insel Kakan.

Eine Empfehlung meines Freundes und Eigner des Katamaran „SY Shalimardue“, Michael der viel Zeit in diesem wunderschönem Revier verbringt, hat mir den Tipp dazu gegeben.Die Wahl besteht zwischen einfacher und uriger Konoba bzw. dem luxuriösem und eher kostspieligem „Antonio“. Wir haben uns für die urige Variante entschieden. Ein Familienbetrieb, das Essen ist perfekt, der Fisch wie überall in dieser Region fangfrisch aber leider nicht gerade preiswert.
Meine Crew, verwöhnt von Zirje, bestellte aus dem vollem. Wolfsbarsch, Zahnbrasse und Drachenkopf die für uns ihr Leben lassen mussten brachten einiges an Gewicht mit und schlugen nur allzu kräftig auf die Bordkasse.

Apropos Bordkasse. Ein sensibles Instrument. Bei überlegter Handhabung ganz einfach zu bedienen. Alle zahlen einen Betrag darin ein und der Bordkassier bezahlt die Ausgaben betreffend Verpflegung, Bordgetränke, Frühstück, Jause, Mitternachtsimbiss, was auch immer aus diesem Börserl.

Jeder kann essen was er will, vollkommen egal ob dieser sich täglich mit Scampi, Steak und Langusten vergnügt oder urig und bodenständig bei Cevapcici, Grillteller oder Calamari bleibt. Die Kirche und das Gesetz besagen: Alle sind gleich, manche und besonders bei der Bordkasse sind jedoch gleicher.

Des Rätsels Lösung ist einfach. Isst jemand aus der Gruppe Steak zahlt er im Schnitt 15 € zusätzlich und freiwillig in die Bordkasse ein, bei Fisch sind es halt 25,- Euro. Besonderheiten wie z.B. eine Seejungfrau bedürfen einer gesonderten Vereinbarung sowie einer ausführlichen Rücksprache mit dem Skipper.
Somit können die anfallenden Nebenkosten einigermaßen gerecht aufgeteilt werden und am Ende des Törns ergibt es erfahrungsgemäß eine Differenz von nur wenigen Euronen.
Meine Crew machte es diesmal komplett anders. Man(n) muss kein Buchhalter sein um das NICHT zu verstehen.
Es war am letzten Tag als wir zwischen den Inseln Fraga und Artina nochmal den Anker werfen wollten um ein über uns hinwegziehendes Gewitter auszusitzen. Der Plan war ganz einfach. Anker runter und den Haken richtig gescheit einfahren. Alle Luken dichtmachen und im Saloon nochmal ordentlich, mit allem was der Kühlschrank zu Törnende noch hergab, auftischen.

Du wirst es vermutlich erraten. Es blieb beim Versuch. Gott sei Dank streikte das Magnetventil der Ankerwinsch so rechtzeitig, das der Haken am Schiff blieb. Denn es passierte was passieren musste, der Anker funktionierte wieder nicht. Also ab an eine Boje und bei einer gepflegten Bordjause die Gewitterböen aussitzen.

Unter geblähten Segeln und in Rauschefahrt ging es nach Durchzug der Gewitterfront die letzten 15 SM ungerefft und bei Vollspeed zurück in den Heimathafen nach Biograd na Moro.Unser Schiff liegt gut getrimmt im Wind. Der leicht böige Wind lässt die Yacht mit 7,5 Knoten Speed und einer Heckwelle eines PS gewaltigen Motorbootes würdig durch die See pflügen. Kein einziger Spritzer der Bugwellen erreicht das Vordeck. Der Wind der uns durch die Haare streift zaubert meiner tollen Crew ein Lächeln ins Gesicht.Dunkle Gewitterwolken im Hintergrund. Weiße Segel die von vereinzelt durchdringenden Sonnenstrahlen zum Leuchten gebracht wurden, schimmern wie Perlen am Horizont des Meeres. Diese gewaltige Stimmung begleitete uns bis zum Heimathafen unserer schwimmenden Unterkunft der letzten Tage.Alle kleineren Ärgernisse, die flöten gegangene Schiffsschraube, die eigensinnige Ankerwinsch, waren in diesem Augenblick vergeben und vergessen.

Beim Anlegemanöver – arschlings (Verzeihung, römisch/katholisch – wie es in Fachkreisen heißt) an den Steg saß jeder Handgriff meiner Crew, jeder Knoten passte perfekt. Tolle Leute, tolle Crew. Mit Euch immer wieder.

Die den Technikern übergebene Mängelliste war ansonsten recht kurz und abgesehen von einer Badeleiter die nicht recht halten wollte war das Schiff nahezu perfekt.

Vercharterter sind sehr froh darüber zu wissen, welche Probleme ihre Schiffe im Dauerbetrieb haben um diese dann vor Eintreffen der nächsten Crew ordnungsgemäß zu reparieren und das Schiff stets im neuwertigen Zustand zu halten.
Mein Techniker jedoch, probierte kaltlächelnd die Ankerwinsch – und das Sch… Ding funktionierte, zu meinem Frust,  wieder einwandfrei.
Resümee – eine Segelyacht ist wie eine Frau. Wenn sie dich liebt, dann liebt sie von ganzem Herzen. Wenn sie dich nicht liebt? Dann such dir schlimmstenfalls ein Motorboot. Eines wo zumindest das Relais zur Ankerwinsch die richtige Spannung hat wenn es sein soll und erst dann stromlos ist, wenn’s nicht benötigt wird.
Ich danke meiner tollen Crew aus Linz und dir liebe Inge, die all das organisiert und ermöglicht hat. Inge, die uns mit ihrem Charme und ihrem Lachen, der Unerfahrenheit eines Landbewohners auf hoher See, diese herrlichen Stunden ermöglicht hat. Dir liebe Inge ist dieser Bericht gewidmet.

PS:Wir hätten dich auch ohne Reisedokument über die Grenze gebracht. Und nein, du brauchst den Anker nicht ausschwimmen.
Mit euch allen, liebe Heidi, liebe Renate, Helmut, Fritz und Erich und natürlich dir liebe Inge fahre ich jederzeit wieder über alle Meere der Welt.
PPS:Im September und Oktober wird es wieder heißen: Leinen los und immer der Sonne entgegen, wenn wir Süddalmatien mit seinen altehrwürdigen Hafenstädten wie Split, Hvar und Drogir erkunden und bei den Pakleni Inseln vor Anker gehen.

Beziehungsweiße im Oktober den Sommer bei Badetemperaturen in den Kornaten bei unseren Freunden den Fischern feiernd ausklingen lassen.

Sei dabei auf unseren Yachten oder verfolge unser Treiben im Internet unter www.aayc-segeltraum.at bzw. im Reiseblog auf www.best-of-Kroatien.eu

Immer eine Handbreite Wasser unterm Bug

Euer Herbert

Redaktion Nautik
Andreas Underworld
Bild: Herbert T.

 

 

 

 

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