Ein Beitrag von Michael Mandlik

Ende März 2018: Noteinsatz von Feuerwehr und Rettungskräften in Podgorica, der Hauptstadt Montenegros. Doch jede Hilfe kommt zu spät. Die Sprengkraft der Bombe, die die Killer unter einem Fahrzeug in einer Garageneinfahrt gezündet hatten, war absolut tödlich.

Das sechste Attentat seit Jahresbeginn in Montenegro, dem Land, in dem sich rivalisierende Mafiaclans seit Jahren bis aufs Blut bekämpfen. Die Bevölkerung ist längst zutiefst verängstigt: „Das ist doch alles Wahnsinn, was hier passiert.“ „Haben Sie Angst?“ „Ja, um mich und um meine Angehörigen!“ „Ich meine, das ist ein Horror. Es liegt jetzt am Staat, zu reagieren, so dass die Bürger endlich wieder aufatmen können.“

Wohl deshalb auch gibt es nun vermehrt öffentlichkeitswirksame Videos wie diese: Einsätze von Polizeikommandos, die Behausungen stürmen, Verdächtige festnehmen sowie Waffen, Drogen und Bargeld beschlagnahmen. Dass der montenegrinische Staat gegenüber seinen Bürgern jetzt so offensiv Stärke demonstriert, könnte aber auch bedeuten, dass die Situation zu eskalieren droht.

Die Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit ist längst zur Schicksalsfrage geworden für das Land, denn Montenegro will in die EU. Doch der für 2025 angepeilte Beitritt ist massiv gefährdet, sollte die Regierung die organisierte Kriminalität bis dahin nicht in den Griff bekommen.

n einem Überwachungsraum der Polizei in Podgorica: Besonders zwei örtliche Mafiaclans haben die Sonderermittler im Visier. Diese stehen im Verdacht, engste Beziehungen zu kolumbianischen Drogenkartellen zu unterhalten und somit ein Drehkreuz des Drogenschmuggels zu sein von Südamerika über den Balkan nach Zentraleuropa. Rücksichtslosigkeit wie Brutalität der Verbrecher erschrecken selbst die hartgesottenen unter den hiesigen Polizisten:

„Bevor diese zwei Clans in Erscheinung getreten sind, hatten wir eine außerordentlich stabile Sicherheitslage in Montenegro. Die Aktivitäten wie auch die gegenseitigen Rivalitäten dieser Gruppen, das ist ja etwas ganz Fremdes hier, etwas, womit wir erst seit einigen Jahren konfrontiert sind, und auch etwas, woran sich die Bürger nicht gewöhnen können und auch nicht wollen, weder in Podgorica noch in Kotor…“

Radovan Ljumovic, Abteilungsleiter Polizei Montenegro

Ausgerechnet im malerischen Kotor, einem der touristisch attraktivsten Hotspots an der montenegrinischen Küste. Urlauber waren bislang nicht betroffen und so ahnen auch nur die wenigsten von ihnen, dass sich genau hier die gefährlichen Drogenclans vor Jahren eingenistet haben. Angeblich im Streit um Kokain waren sie vor fünf Jahren aneinander geraten. Seitdem gab es allein hier im Urlaubsort Kotor 30 Tote, ein Drogenkrieg, der immer häufiger auch am helllichten Tag und auf offener Straße ausgetragen wird. Die Anwohner sind aufs höchste beunruhigt, auch mit Blick auf den Tourismus.

„Ich reagiere wie alle meine Mitbürger hier in Kotor, mit großer Besorgnis. Diese Besorgnis hat sich aber nicht nur in Kotor breit gemacht, sondern in ganz Montenegro. Wenn Kotor für etwas bekannt war, dann für sein ruhiges und friedliches Leben hier, frei von irgendwelcher Gewalt. Nun ist es aber gerade diese Gewalt, die unser Leben in den letzten fünf, sechs, ja zehn Jahren geprägt hat.“

Ljiljana Popovic Moskov, stellvertretende Bürgermeisterin, Kotor

 Ob es dem montenegrinischen Staat gelingen wird, verloren gegangenes Vertrauen in Sachen Sicherheit bald zurück zu gewinnen, erscheint vielen fraglich. Bürger und Oppositionspolitiker appellieren inzwischen an die EU, die Realitäten in Montenegro endlich ungeschönt zu beurteilen.

„Ich denke, dass die Europäische Kommission, die sich mit den jährlichen Fortschrittsberichten Montenegros befasst, viel ehrlicher gegenüber den Bürgern und direkter gegenüber der Regierung vorgehen müsste. Wir fragen uns nämlich immer wieder, wenn der Fortschrittsbericht vorliegt und wir die lobenden Worte hören und lesen: Von wem reden die da eigentlich? Die meinen doch nicht etwa Montenegro?“

Ljiljana Popovic Moskov

Es ist das Montenegro von Milo Djukanovic, dem strahlenden Sieger der jüngsten Präsidentschaftswahlen vom April. Seit einem Vierteljahrhundert regiert Djukanovic das Land, entweder als Premier oder als Präsident. Seine Familie gilt als eine der vermögendsten wie einflussreichsten in Montenegro. Sieben Jahre lang ermittelten italienische Behörden wegen Zigarettenschmuggels gegen Djukanovic, bis das Verfahren im Jahr 2009 rechtskräftig eingestellt wurde. Verdächtigungen gegen ihn und seinen Familienclan gibt es weiterhin, aber für Brüssel gilt der alte, neue Präsident Montenegros als Stabilitätsfaktor. Immerhin hatte sich Djukanovic gegen massive Widerstände Moskaus durchgesetzt und Montenegro erst im vergangenen Jahr in das westliche Verteidigungsbündnis NATO geführt. Allerdings hat Brüssel in seinen Berichten auch Klartext geredet: Ohne Gewährleistung von Sicherheit kein EU-Beitritt Montenegros. Für das Land an der malerischen Adriaküste läuft also eine Frist – und viel Zeit vor dem gewünschten Beitrittstermin bleibt nicht mehr.

BR Presse/Euroblick
Bild: BR
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