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ABZOCKE ÖSTERREICHISCHER AUTOFAHRER IN KROATIEN

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Immer mehr österreichische Autofahrer werden zum Opfer von skandalös überhöhten Parkstrafen in Kroatien.

„Systematik der Abzocke“
Dass in Kroatien grundsätzlich Parkvergehen österreichischer Fahrer seit dem EU-Beitritt des Landes 2012 geahndet werden, findet ÖAMTC-Rechtsexpertin Verena Pronebner indiskutabel. Dies sei auch mittlerweile europäische Praxis geworden. Aber: „Es ist die Art und Weise, die Höhe der Forderung und die Systematik dahinter, die viele Fragen aufwirft. Es erinnert eben mehr an Abzocke und an ein lukratives, dubioses Geschäftsmodell“, erklärt uns die Rechtsexpertin offen im Interview, zu welchem sie eine dicke Mappe mit Parkstrafen, Anwaltsmeinungen und Expertenberechnungen mitnimmt.

„Es ist die Art und Weise, die Höhe der Forderung und die Systematik dahinter, die viele Fragen aufwirft. Es erinnert eben mehr an Abzocke und an ein lukratives, dubioses Geschäftsmodell“, erklärt uns die ÖAMTC-Rechtsexpertin Verena Pronebner.

200 Euro Forderung mit „europäischen Grüßen“
Die zentrale Rolle im Skandal um die Parkstrafen in Kroatien spielen die sogenannten „Tischler-Briefe“: In diesen verlangt ein, von zahlreichen kroatischen Parkraumbewirtschaftungsunternehmen vertrauter, Anwalt von den österreichischen Autofahrern die Zahlung eines horrenden Betrages. Statt der Zahlung eines Tagestickets (meistens um die 20 Euro) werden die Fahrer per Anwaltsbrief und Foto ihres Autos aufgefordert, Kosten in Höhe von knapp 200 Euro zu begleichen. Interessant dabei: Der Anwalt Dr. Mirko Silvo Tischler, ein Kärntner Slowene, der im Brief den Autofahrern einen Zahlschein samt „europäischen Grüßen“ schickt, hat seinen Sitz sowohl in Slowenien als auch in Österreich eingetragen. Nach der jetzigen Lage zu urteilen, betreut er nicht nur die Hauptstadt Zagreb, sondern die Parkraumbewirtschaftung für viele touristische Hot-Spots wie Vodice, Umag, Opatija, Zadar, Lošinj, Biograd na moru, uva.

Etliche betroffene Autofahrer aus Österreich
Die ÖAMTC-Rechtsexpertin Verena Pronebner schlägt Alarm: Laut ihren Recherchen dürften 15.000 bis 20.000 österreichischer Fahrer von den Anwaltsbriefen mit Geldforderungen betroffen sein. „Alleine beim ÖAMTC langen zurzeit wöchentlich um die 200 Beschwerden ein, meistens eben mit der Frage, wieso denn die Kosten in Kroatien für ein Parkvergehen so enorm hoch sind“, sagt ÖAMTC-Rechtsexpertin Verena Pronebner zu KOSMO.

„100 Euro zu viel!“, hält Verena Pronebner fest.

Laut der Expertise eines Wiener Rechtsanwalts müsste der Endpreis der Forderung für die meisten fehlenden Parktickets zwischen 60 und 80 Euro liegen. „Daher verlangt die Kanzlei Dr.Tischler mehr als 100 Euro zu viel“, erklärt uns Pronebner. In die Gesamtsumme von 80 Euro wären sowohl die Ursprungsforderung, die Kosten der Halterdatenauskunft sowie die des Schreibens selbst einberechnet. Die Bemessungsgrundlage dabei war der in Kroatien gängige Gebührenbetrag von 20 Euro (Tagesticket). Im „Tischler-Brief“ selbst gibt es für die Autofahrer jedenfalls keine transparente und genaue Auflistung der administrativen Kosten.

Dr. Tischler sieht die Kosten als gerechtfertigt
Als wir Dr. Tischler ein Mail mit mehreren Fragen stellen, unter anderem mit der Bitte um Angabe der genauen Kostenaufstellung, kommt per Mail zur Kosten-Frage folgende Antwort: „Für die jeweils einzelnen Antragstellungen sind darüber hinaus auch entsprechende Verwaltungsabgaben zur Einzahlung zu bringen und hat es unsere Rechtsanwaltskanzlei im Rahmen des Forderungsanspruches, neben der Parkraumübetretungsgebühr, auch die Bezug habenden anwaltlichen Kosten gemäß dem slowenischen Rechtsanwaltstarif verrechnet, zuzüglich der auch vorfinanzierten Barauslagen.

Die diesbezüglichen Beträge belaufen sich auf netto 121,18 Euro, welche auch entsprechend in den spezifizierten Aufforderungsschreiben an die einzelnen Schuldner inkludiert sind. Weiteres dürfen wir darauf hinweisen, dass im Rahmen der Parkraumübertretungsgebühren, sich z.B. diese in Lošinj bis zu 200 Kuna bzw. umgerechnet um 28,50 Euro oder in Umag bis zu 360 Kuna bzw. umgerechnet um 50 Euro bewegen können, je nachdem in welcher Parkraumzone die Fahrzeuge abgestellt worden sind“, so der Anwalt im Wortlaut. Dabei verwundert es aber, dass Tischler einer betroffenen Person (Name der Redaktion bekannt) die Zahlung von 100 Euro angeboten hat, nachdem diese ihn mit seiner ÖAMTC-Mitgliedschaft konfrontierte. Nach dieser Berechnung würde der Anwalt nämlich selbst ein Minus machen.

Tischler spricht von „einigen hundert bearbeiteten Fällen in Österreich“, der ÖAMTC schätzt die Zahl auf 15.000 bis 20.000.

Hunderte oder Tausende? 
Auf die Frage, wie viele Fälle mit österreichischen Autokennzeichen bearbeitet werden, spricht Dr. Tischler von „einigen hundert bearbeiteten Parkstrafen“. Der ÖAMTC geht in seinen Schätzungen hingegen von 15.000 bis 20.000 Autofahrern aus. Laut ÖAMTC-Rechtsexpertin Pronebner hat Dr. Tischler einmal auf Anfrage der Kärntner Anwaltskammer seine Kostenkalkulation gegenüber dieser offengelegt, aber diese sei laut Pronebner „noch immer viel zu hoch“. Dass die Mittel im Kampf gegen überhöhte Parkforderungen in Kroatien allerdings beschränkt sind, ist ebenso klar: Denn, das grenzüberschreitende Eintreiben von Forderungen ist rechtlich in Ordnung. Und auch wenn der Europäische Gerichtshof in diesem Zusammenhang vor kurzem festgestellt hat, dass kroatische Notare nicht befugt sind, österreichischen und anderen europäischen Fahrer zu verfolgen (da sie nicht als Gericht angesehen werden können). Anwalt Dr. Tischler schreibt in der Mail an KOSMO, dass im Falle von Nicht-Zahlungen „gegebenfalls weitere – nunmehr gerichtliche Schritte seitens der in Kroatien vor Ort ansäßigen Rechtsanwälte eingeleitet werden, sofern keine außergerichtliche Einigung mit den Autofahrern erzielt wird“.

Kroatischer Behördendschungel
Aber nicht nur die „Tischler-Briefe“ sorgen nun für Diskussionen: Die Systematik der Handhabung von Parkstrafen in Kroatien ist definitiv verwirrend und chaotisch. Das zeigt sich auch, als wir uns im Auftrag von zwei betroffenen Lesern, die getrennt voneinander Forderungen für Parkvergehen in Zadar und Zagreb erhalten haben, bei den zuständigen Parkraumbewirtschaftungsunternehmen anrufen. Während man uns in der Zagreb-Holding am Telefon anbietet, den angekommenen Tischler-Brief zu ignorieren und stattdessen ein Tagesticket (cirka 20 Euro) für das Vergehen zu zahlen, werden wir in Zadar bei der Parkraumbewirtschaftung „Obala i lučice“ abgewiesen. „Sobald sie den Brief von Dr. Tischler haben, liegt alles in seinen Händen und sie müssen ihn kontaktieren. Dann sind wir nicht mehr zuständig“, sagt Nedjeljko Zrelić, Dispatcher des Unternehmens. Als wir ihn auf die Diskussionen in Österreich aufmerksam machen, sagt Zrelić: „Es gibt keine Diskussion, genauso wie wenn wir als Kroaten in Österreich für das Parken zahlen müssen. Der Tischler-Brief ist wie das Amen, es gibt da keine Diskussion“, so Zrelić.

„Der Brief von Dr. Tischler ist wie das Amen. Es gibt da keine Diskussion“, so Nedjeljko Zrelić, Dispatcher des Parkraumunternehmens „Obala i Lučice“ aus Zadar.

Mysteriös verschwundene Zettel? 
Während sowohl der ÖAMTC als auch der deutsche Automobilclub ADAC wegen der hohen kroatischen Forderungen für ausländische Autofahrer die Notbremse ziehen und öffentlich in Aussendungen Protest einlegen, berichten viele Autofahrer, dass sie nun per Anwaltschreiben Strafen aus den Jahren 2013, 2014 und 2015 erhalten. „Das Seltsame ist, dass viele Mitglieder glaubwürdig berichten, seinerzeit keine Benachrichtigung über die Strafe vor Ort auf ihrer Autoscheibe gefunden zu haben, womit sie dann die Möglichkeit gehabt hätten, vor Ort ein Tagesticket zu zahlen. Diese berichten oft, sie haben die Benachrichtigung auf der Scheibe erst auf dem Foto gesehen, die der Anwalt mitgeschickt hat“, sagt Pronebner.

ÖAMTC rät: Parktickets aus Kroatien 5 Jahre lang aufheben
Unter anderem deswegen empfiehlt der ÖAMTC, die Parktickets aus Kroatien fünf Jahre lang – für den Fall der Fälle – aufzuheben. Sollten sie ebenso einen Brief von Dr. Tischler erhalten haben, dann macht es auf jeden Fall Sinn, Rechtsberatung einzuholen (zB beim ÖAMTC, dem ARBÖ, dem VKI oder der AK – je nach Mitgliedschaft). Abgesehen von der Senkung der Forderung, die der ÖAMTC oft für ÖAMTC-Mitglieder erreicht, lohnt es sich in manchen Fällen auch bei den Parkraumbewirtschaftungs-Unternehmen in Kroatien selbst anzurufen und nachzuforschen. Was nur wenige österreichische Autofahrer wissen: In Zagreb kann man dank einer Regelung der dortigen Holding den Tischler-Brief ignorieren, falls man als Strafe dem Unternehmen ein Tagesticket von 20 Euro zahlt. Es geht immerhin um eine Ersparnis von mehr als 160 Euro.

Tourismuszentrale besorgt
Weder Zrelić noch Dr. Tischler wollen uns die Frage beantworten, ob denn so eine Praxis und die Höhe der Parkforderungen nicht Kroatien als Tourismusland schadet. In der Kroatischen Tourismuszentrale in Wien bestätigt man hingegen, Beschwerden von Autofahrern bekommen zu haben. „Obwohl die Kroatische Tourismuszentrale in Österreich keine Möglichkeit hat, Einfluss auf die Preise von Parkstrafen und deren Ahndung zu haben, haben wir alles in unserer Macht stehende getan. Wir haben nicht nur das kroatische Tourismus-Ministerium, die Gemeinden und die Konzessionäre kontaktiert, sondern auch Herrn Dr. Tischler. Dabei wurde uns erläutert, dass die Besitzer von Park-Konzessionen über Dr. Tischler nur ihr Geld wollen und dass die Höhe der Parkstrafe sich aus den Kosten ihrer Dienstleistungen ergibt. Uns wurde ebenso bestätigt, dass Dr. Tischler gesetzeskonform handelt“, so der Leiter der Tourismuszentrale in Wien Ranko Vlatković.

„Österreicher sind, neben Deutschen und Slowenen, die TOP 3 Touristen in Kroatien. Sie haben letztes Jahr 7,6 Millionen Nächtigungen gehabt und besuchen Kroatien auch außerhalb der Saison. Wir hoffen, dass sich die Parkstrafen nicht darauf auswirken werden und bitten die österreichischen Fahrer aufzupassen, wo und wie sie ihr Auto stehen lassen“, so Vlatković gegenüber KOSMO.

Kroatien als europäischer Einzelfall
Und auch wenn die Tischler-Briefe, wie mehrere unserer Gesprächspartner bestätigen, gesetzeskonform sind: „Tatsache ist, dass Kroatien mit dieser Praxis, der Höhe der Kosten und der Forderungen von ausländischen Autofahrern ein Einzelfall ist“, hält die ÖAMTC-Rechtexpertin Verena Pronebner abschließend fest. Dass die Praxis dem Ansehen Kroatiens bei österreichischen Touristen bereits jetzt schon schadet und ein schlechtes Licht auf das jüngste EU-Mitglied wirft, darüber wird man wohl nicht diskutieren brauchen… (NR)

ADAC/ÖAMTC/Kosmo/Dalmatinka Media
Bild: Dalamtinka-Media, ADAC, ÖAMTC

 

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