Tina Keserovic ist Tochter eines Moslems, Flüchtlingsaktivistin und Deutschlands meistgebuchtes Double der Rechtsterroristin Beate Zschäpe. Wir haben sie besucht und mit ihr über Zschäpe und den NSU gesprochen.

Gestern Abend war ein Stück trauriger deutscher Zeitgeschichte an den Münchner Kammerspielen zu sehen – auch bayerischer Zeitgeschichte: „Das Erbe – eine Assoziation zum NSU“ heißt das Stück von von Olga Bach, Ersan Mondtag und Florian Seufert. Zur Erinnerung: Der Nationalsozialistische Untergrund hat zehn migrantische Kleinunternehmer in deutschen Großstädten ermordet. Auch in München hat das Terrortrio zweimal zugeschlagen. Tina Keserovic, die Hauptdarstellerin des Theaterstücks kann aussehen wie Beate Zschäpe. Deshalb ist sie in letzter Zeit auch eine sehr gefragte Schauspielerin. Wenn sie nicht gerade in ihrer Wahlheimat Kroatien lebt und arbeitet, spielt sie in Deutschland die Zschäpe. Tobias Krone hat mit ihr ein Interview an einem der zwei Münchner NSU-Tatorte geführt, vor einem Laden in der Bad Schachener Straße, in der die Terroristen den türkischstämmigen Gemüsehändler Habil Kilic umgebracht haben.

Du hast ja hier um die Ecke mal gewohnt, oder?

Tina Keserovic: Ja, ich hab hier um die Ecke gewohnt. Und es ist ja auch etwas, was mich immer wieder wundert, weil ich nachdem ich in München gelebt habe, nach Jena gekommen bin und in der Nähe dieser Polizeistation gewohnt habe, wo Beate Zschäpe sich ergeben hat. Und jetzt komme ich nach München und probe in München ein NSU-Stück. Es sind natürlich alles Zufälle aber…manchmal beobachtet man die Zufälle und denkt sich: Oh nein, was soll das denn heißen.

2011, als du am Theaterhaus Jena angefangen hast, bist du ja auf eine ziemlich hemdsärmelige Art auf diese Ähnlichkeit mit Beate Zschäpe gestoßen worden.

Unser Dramaturg ist auf mich zugekommen und erzählte mir, dass er neulich bei der Bäckerin war, und diese ihm ganz begeistert erzählt hatte, dass sie am Tag davor in der Schneekönigin war – und da hab ich die kleine Gerda gespielt. Und dann hat sie gesagt: Ah, ihre kleine Gerda, die sieht ja aus wie die Beate. Ich wusste überhaupt nicht genau, wer Beate Zschäpe ist und was sie getan hat. Durch diesen Anstoß habe ich mich erst angefangen zu interessieren, wer diese Person überhaupt ist.

Nachdem du geoutet wurdest von der Frau beim Bäcker, wie ging es weiter mit dir und dieser Zschäpe-Rolle?

Angefangen hat es tatsächlich mit der Beate Zschäpe in der Antilopen-Gang, im Antilopen-Gang-Video. Und seitdem werde ich von überall angefragt. Und alles, was ich in Deutschland mache, ist diese Rolle. Ich bin quasi das gefragteste Beate-Zschäpe-Double… Oh mein Gott!

Es war dem Regisseur dieses Clips ein Anliegen zu zeigen, dass Beate Zschäpe nicht irgendein Monster ist, das im Geheimen irgendwas macht, sondern einfach dieses einfache Leben vor sich hinlebt. Und sie so auch ein Teil dieser Gesellschaft ist. Und da sitzt sie halt mit ihren Freundinnen und guckt Fußball.

Es ging ja dann auch weiter mit Satire, und zwar auf dem Youtube-Kanal Schlecky Silberstein. Das war ein Sketch, wo das NSU-Trio in so einer Art Sitcom beim Frühstück zusammensitzt. Da ist Beate Zschäpe ja durchaus näher an diesem Terror dran.

Ja, das war eine sehr spontane Aktion von Schlecky Silberstein, dem Team. Und zwar hatte Beate Zschäpe damals gerade erst ihre erste in „Aussage“ vor Gericht getroffen. Und zwar hatte sie diese vom Anwalt verlesen lassen. Und Fazit dieser Aussage war: „Ach, ich habe nix mitbekommen. Die haben das alles alleine gemacht und ich – tut mir leid“. Das haben wir dann überspitzt.

Tina, nervt‘s dich eigentlich, ständig auf die Rolle der Beate Zschäpe abonniert zu sein?

Mmh. Jein. Ich glaube, es würde mich nerven, wenn ich nur in Deutschland leben würde, weil es nur mehr darum gehen würde. Aber da ich ja im ehemaligen Jugoslawien lebe und den Leuten das genau nichts sagt, habe ich diese Last nicht. Aber… Was mir bei allem, was ich über diese Person mache, wichtig ist, ist, dass man zeigt, dass sie ein Mensch aus unserer Gesellschaft ist. Weil das Böse ist in uns Allen möglich. Und wenn man aber dieses Beate-Monster einfach nur so schafft, als dass man es von sich weghält, dann guckt man sich nicht um, und fragt sich nicht: Was ist eigentlich los in unserer Gesellschaft, dass es zu sowas überhaupt kommen kann?

BR Zündfunk/Tobias Krone
Bild: BR
Video: Schlecky Silberstein
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