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FILM ÜBER SREBRENICA VON TÜRKISCHER REGIERUNG GESTOPPT!

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Der deutschtürkische Filmregisseur Veysel Atasever hat 2016 verkündet einen Film über den Genozid in Srebrenica zu drehen. Nun wurde ihm die Finanzierung durch die türkische Regierung eingefroren.

Die Dreharbeiten zu “The Last Epoch” hätten im August 2016 in der bosnischen Stadt Srebrenica starten sollen. Nachdem Atasever im Jahr 2014 die Gedenkfeier an den Völkermord in Srebrenica im Fernsehen verfolgte, beschloss er, einen Film über den Genozid zu drehen.

Was hat Sie damals bewegt einen Film über Srebrenica zu drehen? Worin sehen sie die Wichtigkeit?

Veysel Atasever: Ich lernte vor 4 Jahren einen der ehemelaigen UN-Soldaten (Boudewijn Kok) der am 11.7.95 in Srebrenica stationiert war kennen. Seine Geschichte hat mir sehr imponiert und ich begann mich mit dem Bosnienkrieg auseinander zu setzen. Das Thema lies mir keine Ruhe mehr und beeindruckte mich so sehr, dass ich beschloss es filmisch umsetzen zu wollen. Für Recherche und Drehbucharbeiten habe ich ein halbes Jahr in Srebrenica gelebt und mehrmals an der Gedenkfeiern zum 11.07.95 teilgenommen. Wieder waren es die Geschichten der Menschen vor Ort die mich tief beeindruckten. Kaum vorstellbar was sich erst 20 Jahre zuvor in diesem wunderschönen Land zugetragen hatte. An den Jahrestagen des Völkermordes habe ich einige hochrangige Politiker kennen gelernt, unter anderem auch türkische Politiker. Damals war ich davon überzeugt, dass die Türkei sich in einem positiven Wandel befände in Sachen Demokratie, Menschenrechte und Sozialstaat. Zu meinem erschrecken musste ich feststellen dass dem nicht so war.

“Ich habe dem türkischen Regime mitgeteilt, dass die Türkei eine historische und kulturelle Verantwortung gegenüber Bosnien hat und dass sie den Völkermord an den Bosniern anerkennen müssen”

Wie sind Sie vorgegangen? Was waren ihre Pläne damals?

Ich bin nach Ankara geflogen um mich über die Möglichkeiten einer Fimförderung seitens der Türkei zu informieren. Nach diversen Gesprächen habe ich beschlossen in der Türkei eine Firma zu gründen und Anträge für eine Filmförderung meines Projektes über den Völkermord in Bosnien zu stellen. Auch tat ich mich dort mit der Filmproduzentin Wilma Elles zusammen, die dem Staatspräsidenten Erdogan sehr nahe steht. Anschliessend wurde die Filmförderung vom türkischen Kultusministerium genehmigt und das türkische Staatsfernsehen “TRT” wollte als Co-Produzent mit einsteigen. Durch die politischen Veränderungen verschlechterten sich die Beziehungen der Türkei zu Europa vehement, was dazu führte dass das Regime und meine Produzentin mich unter Druck setzten mein objektiv, künstlerisches Konzept für den Film im Sinne ihrer Ansichten zu ändern. Der Film sollte komplett zum Vorteil des türkischen Regimes ausgerichtet werden, was ich abgelehnt habe. Unzählige Male habe ich ihnen versucht zu erklären das der Völkermord in Srebrenica keine 20 Jahre her ist und das ein solches Vorgehen für Unruhen in Bosnien sorgen würde, da Bosnien sich ohnehin in einer angespannten Lage befindet. Auch hatte ich gehofft, dass sich die politische Lage zu Europa wieder verbessern würde.

“Mir wurde nahegelegt im Film die wahre europäische Gesinnung zu zeigen: das Europäer Mörder seien und Wahrheit und Realität zu verdrehen.”

Die türkische Regierung hat sich sehr „Bosnien“-freundlich gezeigt, warum der plötzliche Wandel? Haben sie Erklärungen/Begründungen erhalten?

Im April 2017 kam es zur “Hollandkrise”, wo Erdogan den Völkermord instrumentalisierte um Holland anzuschuldigen. Mir wurde nahegelegt im Film die wahre europäische Gesinnung zu zeigen: das Europäer Mörder seien und Wahrheit und Realität zu verdrehen. Zwischenzeitlich wurde mit Russland ein Energieabkommen geschlossen, welches den Bau einer Pipeline durch Serbien vorsieht. Anschliessend wurde ich noch stärker unter Druck gesetzt, da mein Film dieses Abkommen in Gefahr bringen würde. Ich bin jedoch ein Künstler und ein Philanthrop und bin anhand persönlicher Erfahrungen in Bosnien davon überzeugt dass dieses Filmprojekt für das friedliche Zusammenleben der ethnischen Gruppierungen beitragen und den vorhandenen Hass mindern sollte. Zudem habe ich dem türkischen Regime mitgeteilt, dass die Türkei eine historische und kulturelle Verantwortung gegenüber Bosnien hat und dass sie den Völkermord an den Bosniern anerkennen müssen. Nicht zuletzt wegen den Äusserungen des vor einigen Wochen in Den Haag verurteilten Kriegsverbrechers Ratko Mladic, der behauptet dass der Völkermord ein Racheakt gegen die Türken gewesen sei aufgrund der ehemaligen osmanischen Herrschaft in der Balkanregion.

“Ich erhielt nun Drohungen und Erpressungen aus der Türkei.”

Wie hat sich das auf ihre Arbeit ausgewirkt? Wie sind Sie weiter vorgegangen?

Aufgrund dieser Entwicklungen wurden unsere Fördergelder eingefroren und der Druck auf meine Person wurde immer schlimmer. Ich verliess die Türkei und kehrte nach Deutschland zurück. Ich nahm mir einen Anwalt und ging zur Presse und erhielt nun Drohungen und Erpressungen aus der Türkei. Auch meine Produzentin Wilma Elles nahm an diesen Repressalien teil. Nach langen Überlegungen habe ich mich dafür entschieden mich für die Menschenrechte und die Demokratie in der Türkei einzusetzen und die Türkei dazu aufzufordern den Völkermord anzuerkennen. Hierzu werde ich einen politischen Verein gründen um dazu beizutragen um die in Deutschland lebenden Türken über Erdogan und seine Machenschaften aufzuklären.

“Mein persönliches Anliegen ist es dass die Türkei den Völkermord von Srebrenica offiziell als Genozid anerkennt.”

Wie stehen Sie dazu, dass die türkische Regierung kein Interesse an der Produktion hat?

Mir ging und geht es nicht um das Geld, sondern dass das Projekt künstlerisch, vernünftig und menschlich umgesetzt wird. Ich habe das Lieben, das Leben und das Schätzen in Srebrenica gelernt. Die Opfer von Srebrenica haben mir ihr Vertrauen ausgesprochen was für sie, aufgrund des Völkermordes, ohnehin sehr schwierig gewesen ist. Die Tatsache dass der Völkermord in Srebrenica der grösste Völkermord auf europäischem Boden seit dem 2.Weltkrieg gewesen ist dürfen wir nicht zulassen, dass möchtegern Despoten den Schmerz und das Leid der Menschen für sich missbrauchen. Wir dürfen die Menschen in Bosnien und Srebrenica nicht mit ihrem Schicksal alleine lassen. Auch möchte ich die Gelgenheit nutzen um auf die katastrophalen Zustände in Bosnien und Srebrenica aufmerksam zu machen und fordere die europäischen Gemeinschaften dazu auf Bosnien in die europäische Union aufzunehmen. Mein persönliches Anliegen ist es dass die Türkei den Völkermord von Srebrenica offiziell als Genozid anerkennt, da der Völkermord in Srebrenica eigentlich ein Akt der Rache gegen die vergangene Herrschaft der Türken auf dem Balkan gewesen ist, so wie es ex-General Ratko Mladic im Fernsehen sagte bevor er den Völkermord befahl. Daher ergibt sich eine historische und politische Verantwortung gegenüber Bosnien. Deshalb fordere ich das türkische Parlament dazu auf dies umzusetzen, sowie die europäische Union es bereits getan hat.

“Auch fordere ich den bosnischen Präsidenten Bakir Izetbegovic dazu auf mehr seinem Volk zu dienen und weniger dem Despoten Erdogan.”

Was bedeutet Bosnien-Herzegowina für Sie und wo sehen Sie die Zukunft des Landes?

Der Heilungsprozess der Hinterbliebenen kann beginnen und ich wünsche mir für das bosnische Volk, dass sie ihr Trauma gemeinsam bewältigen und den spürbaren Hass besiegen. Auch fordere ich den bosnischen Präsidenten Bakir Izetbegovic dazu auf mehr seinem Volk zu dienen und weniger dem Despoten Erdogan. Auch finde ich es sehr verwerflich dass Präsident Izetbegovic so eng mit Erdogan zusammenarbeitet, welcher momentan sein eigenes Volk unterdrückt und Säuberungsaktionen durchführt. Zustände die der bosnische Staat niemals unterstützen sollte. Insbesondere in Bezug auf ethnische Minderheiten. Zustände unter denen das bonische Volk in jüngster Vergangenheit massiv gelitten hat. Bis zum heutigen Tag haben wir alles daran gesetzt diese Projekt umzusetzen und wir werden diesen Weg weiterhin bestreiten und dagegen vorgehen dass das türkische Regime den Völkermord in Bosnien instrumentalisiert. Der Film ist insofern sehr wichtig, da sich Bosnien in einem politischen, wirtschaftlichen und menschlichen Stillstand befindet und es ein starkes, kollektives Trauma verarbeiten muss. Nur so kann der spürbare Hass aufgearbeitet und verringert werden. Auch aus politischer Sicht ist der Film sehr wichtig um die Anerkennung des Völkermordes voranzutreiben. Bosnien hat nur eine Chance wenn der Hass überwunden wird und sowohl Schuld als auch Vergebung anerkannt wird. (NR)

Quelle: Kosmos
Bild: Facebook
Video: BR (nicht geeignet für Personen unter 16 Jahren!)
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