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Die dunkle Vergangenheit der Kirche

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Der kroatische Kardinal Alojzije Stepinac ist umstritten wegen seiner Nähe zum faschistischen Ustascha-Regime, das Kroatien während des Zweiten Weltkriegs regierte. Dennoch überlegt der Vatikan, Stepinac heilig zu sprechen. Und auch in Zagreb wird der Kardinal noch immer verehrt.

Es ist 14 Uhr: Ein paar hundert Gläubige haben sich um das mit silbernen Platten eingefasste Grab von Kardinal Alojzije Stepinac versammelt, direkt hinter dem Hauptaltar der Zagreber Kathedrale. Es ist eine Zeremonie, wie sie jedes Jahr an seinem Todestag stattfindet. Ein Priester beginnt, die letzten Sätze des Kardinals auf dem Sterbebett vorzulesen – so wie sie von einem Zeugen überliefert wurden.

Dein Wille geschehe. Es ist 14.15 Uhr, der Todeszeitpunkt des Kardinals im Jahr 1960 – 14 Jahre, nachdem er von einem jugoslawischen Gericht zu Haft und anschließendem Hausarrest verurteilt wurde, wegen Kooperation mit dem faschistischen Ustascha-Staat zur Zeit des Zweiten Weltkriegs.

Für Kroatiens Katholiken hat der Kardinal Kultstatus

Die Beisetzung war die größte religiöse Zeremonie im sozialistischen Jugoslawien – mit 18 Bischöfen, 500 Priestern und mehr als 100.000 Gläubigen. Kardinal Alojzije Stepinac genießt Kultstatus unter den Katholiken Kroatiens. Bis heute.

Draußen, vor der Kathedrale, gibt es einen Optiker „Stepinac“, ein „Stepinac“-Geschäft mit Luxusartikeln und ein Stepinac-Museum, das heute, am sogenannten Tag seines Martyriums, geschlossen ist.

Vor der Tür steht der Kirchenhistoriker und Priester Jura Batelja. Sein halbes Leben hat er zu Stepinac geforscht – und reagiert etwas ungehalten auf die Frage, wie das denn alles sein kann, weil Stepinac doch – zumindest eine Zeit lang – Unterstützer eines verbrecherischen Regimes war.

„Dass Stepinac dem Ustascha-Staat half oder ihn sogar idealisierte – das ist eine schamlose Lüge. Er hat sich immer nur für die Katholische Kirche eingesetzt. Und es war ihm bewusst, dass die Freiheit der Kirche nur innerhalb einer freien kroatischen Nation möglich ist.“

Doch genau das war der Grund, warum viele Kirchenvertreter das neue Regime der Ustascha begrüßten, das 1941 den ersten unabhängigen Staat Kroatien proklamierte – nachdem das nationalsozialistische Deutschland das vorherige Jugoslawien zusammen mit anderen Ländern zerschlagen hatte.

Hirtenbrief-Appell zur Unterstützung des Ustascha-Regimes

Auch Kardinal Stepinac freute sich über den neuen unabhängigen Staat: In einem Hirtenbrief zu Ostern appellierte er an den Klerus und das Volk, die neue Regierung mit aller Kraft zu unterstützen. Erst später, als das Morden an Serben, Juden und Roma begann, distanzierte Stepinac sich – um sich dann schließlich auch für die Rettung von Verfolgten einzusetzen, wie Batelja betont:

„Schon 1936 war er mit Flüchtlingen aus Deutschland und später Polen konfrontiert, das heißt Juden, die zu Tausenden nach Zagreb kamen. Der einzige, der sich bemüht hat, diesen Menschen zu helfen war der Zagreber Erzbischof Stepinac. Wir dürfen das nicht vergessen. Ich habe Dokumente, in denen Juden ihm für seine Hilfe danken.“

2016 hat ein kroatisches Gericht die Verurteilung Stepinacs von 1946 wegen der Kooperation mit dem Ustascha-Regime offiziell aufgehoben. Danach hagelte es nicht nur Proteste aus Serbien – denn die serbische Bevölkerung Kroatiens litt damals besonders unter dem Ustascha-Staat.

Auch das jüdische Simon-Wiesenthal-Zentrum meldete sich zu Wort. Die Revision sei „furchtbar und beschämend“, sagte Efraim Zuroff, Direktor des Büros in Israel, der die Entwicklungen in Kroatien genau und oft mit Sorge beobachtet. Denn: Es bleibe eine Tatsache, dass Stepinac mit seiner Position ein verbrecherisches Regime unterstützt habe.

„Was Zuroff sagt, ist unaufrichtig“,  sagt Priester Batelja. „Wir müssen die historischen Fakten anschauen und keine Politik machen. Ich würde es begrüßen, wenn er nach Zagreb käme – und dann werden wir die entsprechenden Dokumente anschauen. Ich bereite gerade ein Buch vor mit Dokumenten und einer Liste mit Juden, die Stepinac erfolgreich vor dem Tod gerettet hat.“

Fakt ist aber auch: Bis heute findet die kroatische Kirche keine oder nur selten klare Worte für ihre Verstrickungen mit dem Faschismus.

Serbisch-Orthodoxe Kirche protestiert gegen Heiligsprechung

Am Abend findet die eigentliche Gedenkmesse für Kardinal Alojzije Stepinac statt: Die Kathedrale platzt – wie jedes Jahr – aus allen Nähten. Das Fernsehen überträgt live, auch die Politik hat Vertreter geschickt. Dann laufen die Geistlichen ein: Vlado Kosic ist dabei, ein Bischof , der sich mit seinen regelmäßigen Ausfälle gegen Serben zum Sprachrohr für die radikale Rechte Kroatiens aufgeschwungen hat.

Bis 2009 hat es gedauert, dass überhaupt ein Kirchenoberhaupt das kroatische Konzentrationslager Jasenovac besuchte, in dem zu Ustascha-Zeiten schätzungsweise 80 bis 90 Tausend Serben, Juden und Roma bestialisch ermordet wurden. Es war der Erzbischof von Zagreb, Josip Bozanić, der damals gleichwohl betonte, dass er nicht gekommen sei, um sich zu entschuldigen.

Heute hält er die Messe, erinnert an die Seligsprechung von Stepinac und spricht von seiner bevorstehenden Heiligsprechung. Doch dagegen protestiert nach wie vor die Serbisch-Orthodoxe Kirche. Die ökumenische Arbeitsgruppe, die der Papst eingesetzt hatte, um den Konflikt zu entschärfen, ist nach einem Jahr ergebnislos auseinander gegangen.

„Wir reden über dieselben Dokumente. Aber die Interpretationen sind nach wie vor komplett verschieden“, so der Kirchenhistoriker Jura Batelja, der sich unter die Kirchgänger gemischt hat. Und deshalb liegt nun doch alles wieder in den Händen des Papstes, sagt er – und verschwindet nach dem Gottesdienst in der Menge.

Quelle: Dirk Auer / Deutschlandradio

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